In den späten 60er- und frühen 70er-Jahren wurden die Comics erwachsen. Die Künstler und die Verlage nahmen nicht nur Kinder und Jugendliche ins Visier ihrer Geschichten, sondern auch ältere Jugendliche und Erwachsene. Das führte zu allerlei Experimenten, aber ebenso zu Abenteuer-Comics, die deutlich anspruchsvoller und kritischer waren.
Dazu zählte »Simon vom Fluss«, ein Science-Fiction-Comic, der in den frühen 80er-Jahren auch in deutscher Sprache veröffentlicht wurde und den ich schon immer mochte. In einer wunderschönen Gesamtausgabe wird Claude Auclairs Meisterwerk nun für die heutige Zeit neu veröffentlicht. Der erste Band ist bereits erschienen – ich habe ihn gelesen.
Die Geschichte beginnt nach einer Reihe von Katastrophen, die unsere heutige Kultur zerstört haben. In ihrer Folge sind die Staaten zerfallen: Millionen und Abermillionen Menschen gestorben. Teilweise ziehen die Überlebenden als Nomaden durch das weite Land, in dem überall die Reste der alten Technik als Ruinen stehen. Manche haben einfache Siedlungen gegründet und bauen eine neue Kultur auf. Und es gibt Stellen, in denen alte Anlagen immer noch in Betrieb sind: Militärische Einrichtungen haben die Katastrophe teilweise ebenso überstanden wie wissenschaftliche oder technische Betriebe.
In dieser Zeit lebt Simon, ein meist schweigsamer Mann, der am Fluss lebt und durch die Gegend zieht. Dabei kommt er mit den unterschiedlichsten Menschen und Kulturen in Berührung – so entsteht das Porträt einer zerstörten Welt, deren Bewohner langsam neue Hoffnung schöpfen …
»Clan der Zentauren« und »Die Sklaven« erzählen von solchen Konflikten. Diese zwei Alben wurden bereits in deutscher Sprache publiziert, sie kannte ich. Faszinierend fand ich aber vor allem »Die Ballade des Rotschopfs«, den ich noch nie gelesen hatte und der im schwarzweißen Original in diesen Sammelband aufgenommen worden ist.
Alle drei Alben beeindrucken vor allem durch die Grafik. Auclair kann sowohl Menschen als auch die Natur in beeindruckenden Bildern zeigen. Ruhige Szenen zeigen die Landschaft einer nahen Zukunft, die Action ist knallig und direkt. Der Künstler steht damit in der klassischen Tradition frankobelgischer Abenteuercomics – wer Serien wie »Blueberry« oder Thorgal« mag, sollte hier seine Freude haben.
Erzählt sind die Geschichten meist in einer gelassenen Art. Auclair verzichtet darauf, jede Seite mit spannenden Szenen aufzuladen. Spannend sind seine Geschichten, dennoch kommt vor allem am Ende stets Action – der Künstler lässt sich aber Zeit, seine Charaktere zu entwickeln und das Leben der Figuren zu zeigen. Das ist ein ziemlicher Unterschied zu amerikanischen Superhelden oder japanischen Manga-Serien.
Neben den drei Comics enthält das Buch ein umfangreiches Dossier sowie ein Vorwort. Damit wird das Umfeld der Serie beleuchtet: In welcher Zeit arbeitete Claude Auclair, wie modern war »Simon vom Fluss«, als die Geschichten erstmals veröffentlicht wurden? Ich mag solche Ergänzungen bei Gesamtausgaben sehr und lese sie auch immer komplett durch.
»Simon vom Fluss« ist ein Science-Fiction-Klassiker, den ich allen Comic-Lesern empfehlen kann. Er ist ein wenig altmodisch, was die ruhige Erzählweise angeht, aber toll gezeichnet und schön erzählt. Der erste Band der Gesamtausgabe sieht stark aus – ein Schmuckstück fürs Bücherregal. Lohnenswert!
Veröffentlicht wurde der großformatige Hardcover-Band bei CrossCult. Er ist 186 Seiten stark und kostet 35,00 Euro. Man kann ihm mithilfe der ISBN: 978-3-96658-532-3 überall im Buch- und Comicfachhandel kaufen, ebenso bei Versendern wie dem PERRY RHODAN-OnlineShop.
Es gibt diesen Comic auch in Form eines E-Books; diese Version kostet 19,99 Euro. Und wer sich ein wenig ins Thema einlesen möchte, findet auf der Internet-Seite von CrossCult eine Leseprobe.
