Jerome Félix / Paul Gastine: Bis zum bitteren Ende Verzweifelte Cowboys in einem packenden Comic

24. Mai 2021

Der Western ist ein Genre, von dem man oft glaubt, seine »große Zeit« sei vorüber. Die relevanten Filme des Genres stammen aus den 50er- und 60er-Jahren, ähnliches gilt für die Western-Romane. Auch bei den Comics fallen einem zuerst die Klassiker ein, »Leutnant Blueberry« und »Comanche« zuerst.

Da kommt mir ein Comic wie »Bis zum bitteren Ende« gerade recht, den der Splitter-Verlag kürzlich in Form eines schönen Hardcover-Bandes veröffentlicht hat. Er überzeugt erzählerisch und künstlerisch, und er ist modern – auch deshalb, weil er eine Geschichte erzählt, die keinen klaren Bösewicht kennt, sondern Menschen zeigt, die sich in ihren Zielen so verrennen, dass sie kaum noch einen Ausweg sehen.

Es ist keine exakte Zeit angegeben, wann der Comic spielt; irgendwann in den 80er-Jahren des 19. Jahrhunderts wohl. Indianer scheint es keine mehr zu geben, kleine Siedlungen breiten sich überall im Westen der Vereinigten Staaten aus, Bahnlinien verbinden die Regionen miteinander. Und es zeichnet sich ab, dass die Zeit der Cowboys bald zu Ende gehen wird: Wenn man mit der Eisenbahn die Rinder zu den Schlachthöfen bringen kann, müssen sie nicht von Männern hoch zu Ross getrieben werden.

Ein alternder Cowboy, sein Kumpel und ein schlichter Junge, den er als Waisenkind aufgenommen hat, wollen gemeinsam in Montana ein neues Leben aufbauen: nach der Zeit als Cowboys, die im Westen unterwegs waren, ist nun eine kleine Farm das Lebensziel der Männer. Doch in der Stadt Sundance, die sie durchqueren, werden sie unverhofft mit Mord und Gewalt konfrontiert …

Die beiden Männer, die zuvor noch einer Bande von Strauchdieben erfolgreich Widerstand geleistet haben, schließen sich nun mit genau diesen Banditen zusammen. Freundschaften zerbrechen, Hass keimt auf, der Gedanke an möglichen Reichtum bringt die Gefühle in Aufruhr. Am Ende bleibt das sinnlose Sterben von Menschen, die von einer schönen Zukunft geträumt haben.

In seinem Szenario setzt Jérôme Félix auf starke Charaktere. Seine Helden sind glaubhafte Figuren, die sehenden Auges in die Katastrophe reiten. Die alternden Cowboys und die tapfere Lehrerin, die schmierigen Stadtbewohner und die verzweifelten Viehtreiber – sie alle handeln glaubhaft und aus Überzeugung. Der Autor stellt die Figuren einander gegenüber, er nimmt sie ernst. Die von ihm erzählte Geschichte steuert in schnellen Szenen auf den Höhepunkt zu, und dieser ist in seinem Ernst stimmig.

Beeindruckend sind die Zeichnungen von Paul Gastine. Seine Bilder sind von einer Realtätsnähe, die dem Genre angemessen ist. Action und stille Landschaften, ziehende Rinderherden und die Gesichter der Protagonisten – das alles beherrscht er gleichermaßen. Szenen im Regen, Szenen bei Nacht, Nahaufnahmen und Panoramabilder – die Bandbreite dieses Künstlers gefällt mir so, dass ich den Comic nach der Lektüre noch einmal durchblättern musste.

Wer seine Freude an Western-Comics hat, für den ist »Bis zum bitteren Ende« eine absolute Empfehlung. Aber auch Menschen, die generell spannende Bildergeschichten möchten, sollten einen Blick wagen. Die moralischen Themen, die immer wieder angesprochen werden – was ist Schuld, wer bezahlt für welche Tat? –, heben den Comic über das Maß vieler Western-Storys hinaus.

»Bis zum bitteren Ende« wurde hierzulande in der Zeitschrift »Zack« vorabgedruckt. Bei der Veröffentlichung im Splitter-Verlag handelt es sich um die erste eigenständige Publikation des Comics. Die 80 Seiten gibt es in einem starken Hardcover-Band für 18,00 Euro. Die ISBN 978-3-96219-568-7 ist bei einer Bestellung durchaus behilflich – im Comicfach oder im Buchhandel ebenso wie bei Versandhändlern, etwa dem PERRY RHODAN-OnlineShop.

Klaus N. Frick

Bis zum bitteren Ende
Félix, Jérôme
Splitter Verlag GmbH & Co. KG
ISBN/EAN: 9783962195687
18,00 €
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