Eine Maus versucht hinter das Rätsel der Zeit zu kommen, konstruiert eine Zeitmaschine und reist in die Vergangenheit der Stadt Bern. Im dortigen Patentamt stößt sie auf einen Gelehrten namens Albert Einstein, dem sie einige Hinweise liefert, die dieser für seine späteren Arbeiten anwenden kann. Das ist – sehr grob vereinfacht – die Geschichte von »Einstein«, dem neuen Wunder- und Meisterwerk von Torben Kuhlmann.
Der Untertitel des Werks lautet »Die fantastische Reise einer Maus durch Raum und Zeit«, womit der Inhalt ebenfalls sehr gut zusammengefasst wird. Für mich ist »Einstein« einer der besten Science-Fiction-Bücher, die 2020 erschienen sind, auch wenn es im Gewand eines reichhaltig illustrierten Kinderbuches daherkommt. Letztlich präsentiert der Autor eine Zeitreisegeschichte aus der Perspektive einer Maus, ergänzt durch einige Seiten, die eher an ein Sachbuch erinnern.
Kuhlmann hat schon drei Bücher veröffentlicht, in denen er eine Maus ins Zentrum »großer« Themen setzte. Seine Maus fliegt zum Mond, sie überquert den Atlantik, und sie taucht in der Tiefsee – jeweils in ungewöhnlichen Büchern, die Bild und Text zu einer sehr kunstvollen Form verbinden.
Dem Erfolgsrezept bleibt der Künstler bei »Einstein« treu: Seine Maus ist ein munterer kleiner Kerl, der mit aufgeschlossenem Blick und großen Augen durch die Welt geht und vor keiner Gefahr zurückschreckt.
Der Autor und Zeichner erzählt seine Geschichte mit viel Humor und mit Sinn für Details. Der Grund, warum die Maus nach Bern reist, ist eigentlich ein großes Käsefest. Dort, so hofft sie, könne sie sich richtig den Bauch vollschlagen, denn dort sollte es viele Leckereien geben. Doch weil sie sich im Termin vertan hat, kommt sie erst auf die Idee, sich mit dem Wesen der Zeit auseinanderzusetzen.
Bei ihren Recherchen lernt sie viel über Uhren und Zeitmessung kennen, am Ende baut sie sogar eine Zeitmaschine – und dann landet sie ausgerechnet zu der Zeit in Bern, als im dortigen Patentamt ein gewisser Albert Einstein arbeitet. Mithilfe von Zetteln, die sie vollschreibt, nimmt die Maus nun Anteil an der Relativitätstheorie und anderen wissenschaftlichen Entdeckungen …
Kuhlmanns »Einstein«-Geschichte ist einfach schön. Sie enthält Rückschläge für den kleinen Helden, aber immer wieder Beispiele dafür, wie er sich mit Intelligenz und Trickreichtum durchschlägt. Auch die Begegnung mit anderen Mäusen oder Menschen ist stets gut in Szene gesetzt.
Aber seien wir ehrlich: Egal wie gut die Geschichte ist – sie verblasst angesichts der Qualität der wunderbaren Bilder. Sie stecken voller Details, sie zeigen die Maus und ihre Umgebung in starken Einstellungen. Sowohl die großen Bilder als auch die skizzenhaften kleineren Illustrationen beeindrucken mich auch beim dritten Durchblättern des Buches. Ob Kuhlmann nun eine Uhr zeigt oder einen Käse, eine Straßenszene in Bern oder den Laden eines Uhrmachers – bei ihm sind die Bilder stets realitätsnah und trotzdem voller Phantasie. Kinder sollten sich bei diesen Bildern ebenso freuen wie Erwachsene, man findet immer wieder neue spannende Elemente.
Ganz klar: Das ist keine Geschichte mehr für die »ganz Kleinen«. Die haben sicher ihre Freude an den Bildern, dürften aber mit der Geschichte und ihren wechselnden Zeitebenen überfordert sein. Wer die Geschichte komplett verstehen möchte, sollte sicher neun oder zehn Jahre alt sein. Wer sich mit der Relativitätstheorie beschäftigen will, findet im Anschluss an die eigentliche Geschichte sogar einen von Kuhlmann gezeichneten und getexteten Anhang, der einige Hintergründe liefert. Klasse!
Ich kann dieses Buch allen empfehlen, die sich für gute Bücher begeistern können. Es ist ein Roman und ein Bilderbuch, ein Sachbuch und eine Erzählung – es geht um Mäuse und Menschen, um die Zeit und den Raum. Eine Leseprobe steht im Internet zur Verfügung.
Erschienen ist »Einstein« in Form eines schön gebundenen Hardcover-Bandes, der 128 Seiten umfasst und 22,00 Euro kostet. Man kann ihn in jeder Buchhandlung kaufen, auch bei Versandhändlern wie dem PERRY RHODAN-OnlineShop; die ISBN 978-3-314-10529-6 kann dabei behilflich sein.
Im Hörverlag wurde eine inszenierte Lesung – als Sprecher ist der bekannte Schauspieler und Comedien Bastian Pastewka im Einsatz – veröffentlicht. Sie ist 55 Minuten lang, als Preis werden 12,99 Euro empfohlen. Die Qualität kann ich natürlich nicht beurteilen, auch nicht, wie die Bilder im Beiheft zur Geltung kommen.
Klaus N. Frick
