Einer der in meinen Augen größten Vorteile, gleichzeitig jedoch eine der größten Herausforderungen von PERRY RHODAN NEO, ist die Tatsache, dass man dort als Exposéverantwortlicher, aber auch als Autor, große dramaturgische Freiheiten genießt. Man kann Dinge tun, die in der klassischen PERRY RHODAN-Serie unmöglich oder doch zumindest schwierig umzusetzen wären. Von dieser Möglichkeit haben Rainer Schorm und ich schon häufig Gebrauch gemacht – von den Leserinnen und Lesern wurde dies mal mehr und mal weniger begeistert aufgenommen.
Ich erinnere mich noch gut an die langen und kontroversen Diskussionen über Mirona Thetin. Ist es spannungstechnisch und vor allem moralisch legitim, eine Frau, die als Faktor I der Meister der Insel unermessliches Leid über eine halbe Galaxis und zig Milliarden Intelligenzwesen gebracht hat, zur Gefährtin des heroischen Arkoniden Atlan zu machen? Darf ein solcher Charakter, ein solches Monster, als Protagonistin an der Seite unserer positiven Helden agieren und Abenteuer mit ihnen erleben?
Am Ende haben wir es getan und Mirona Thetin als kontroverse und psychologisch fein gezeichnete Figur zu einem Teil der NEO-Historie gemacht. Verschlossen, einsam, emotional zerrissen, von einem unbarmherzigen Schicksal zur grausamen Despotin gemacht und getrieben von mächtigen inneren Dämonen. Hatte sie wirklich eine Wahl? Wie viel Schuld ist ihr, wie viel den Umständen anzulasten?
Ein Beispiel von vielen, wenn es darum geht, den Fortgang der Handlung innerhalb der NEO-Serie zu steuern und dabei nicht unentwegt bekannte und oft gebrauchte Klischees zu bedienen.
In diesen Tagen erscheint PERRY RHODAN NEO 289. Der Roman trägt den Titel »Im Land Catron« und ist einmal mehr ein Experiment. Als Rainer Schorm und ich vor ein paar Monaten über das Finale der »Odyssee«-Staffel diskutierten, schlug ich irgendwann vor, die Handlung bereits mit Band 288 abzuschließen und mit dem Folgeroman etwas auszuprobieren, was mir bereits seit einer ganzen Weile durch den Kopf schwirrte.
Dass unsere Helden hin und wieder in Parallelwelten und alternative Realitäten verschlagen werden, gehört fast schon zum guten Ton. »Ich würde Perry gerne mal in eine Fantasy-Umgebung setzen«, sagte ich damals zu Rainer am Telefon. »Aber eine, deren Inhalte sich aus seinen persönlichen Erinnerungen generieren. Bevor der oder die mysteriöse Catron ihn in die Milchstraße zurückkehren lässt, spielt er oder sie noch ein bisschen mit ihm.«
»Warum nicht?«, zeigte sich mein kreativer Mitstreiter aus Freiburg nicht abgeneigt. »Schreib das Expo, und dann sehen wir weiter.«
Wer mich ein bisschen näher kennt, der weiß, dass ich mit Fantasy wenig anfangen kann. Ich habe zweimal versucht, den »Herrn der Ringe« zu lesen – und zweimal nach gut hundert Seiten abgebrochen. Das hat gar nicht so viel mit dem Genre an sich zu tun, denn die Verfilmung des Tolkienschen Klassikers oder auch die Serie »Game of Thrones« haben mich durchaus angesprochen. Deshalb hatte ich auch eine ganze Reihe an Ideen für das Exposé und die Reise Perry Rhodans durch das Land Catron.
